Seit über zwei Jahren hält der Krieg in der Ukraine an. Es wurden seitdem über 1,2 Millionen Ukrainer:innen in Deutschland aufgenommen. In diesem Zeitraum ist auch die Zahl der schutzsuchenden Menschen aus anderen Herkunftsländern angestiegen. Insbesondere die Kommunen haben in den letzten zwei Jahren die Unterbringung der ihnen zugewiesenen geflüchteten Menschen als herausfordernd oder belastend erlebt. Ein Anstieg von schutzsuchenden Menschen, begrenzte personelle und finanzielle Ressourcen sowie zunehmend knapp werdender Wohnraum sind wesentliche Herausforderungen bei der Unterbringung von geflüchteten Menschen. Insbesondere bei der Notunterbringung scheinen sich diese Herausforderungen zu potenzieren. Gewaltschutzkonzepte oder –maßnahmen spielen dabei oft eine untergeordnete Rolle, da Kommunen oft unter Zeitdruck arbeiten und schnelle Entscheidungen treffen müssen. Ohne Schutzstandards kann die Unterbringung für geflüchtete Menschen jedoch eine Gefahr bedeuten, insbesondere mit Blick auf besonders vulnerable Personengruppen. Selbst niedrigschwellige, aber frühzeitig koordinierte Gewaltschutzmaßnahmen können bereits Gewaltvorfällen und weiteren Dynamiken vorbeugen.
Die Arbeitsgemeinschaft (AG) „Gewaltschutz unter hohem Belegungsdruck / Notunterbringung“, die sich im Jahr 2022 im Rahmen der Bundesinitiative „Schutz von geflüchteten Menschen in Flüchtlingsunterkünften“ gegründet hat, widmet sich diesem Thema und hat dazu Praxismaterialien erarbeitet, um den Herausforderungen für den Gewaltschutz besser begegnen zu können. Grundlage hierfür waren die im Jahr 2016 erstmals aufgelegten „Mindeststandards zum Schutz von geflüchteten Menschen in Flüchtlingsunterkünften“ die sich als Leitlinien für Länder und Kommunen zur Erstellung von einrichtungsinternen Schutzkonzepten für Geflüchtete etabliert haben und seither kontinuierlich weiterentwickelt werden. Dazu erschien ein Fachartikel in der Fachzeitschrift „forum Kriminalprävention“, Ausgabe 2/2024. Mit der jüngst veröffentlichten Handreichung „Gewaltschutz in Notunterkünften für geflüchtete Menschen verankern: Ausschreibungen und Betreiberverträge gestalten“ von UNICEF Deutschland und Save the Children Deutschland im Rahmen der AG, ist nun ein weiteres Dokument zur Unterstützung bei der Umsetzung und Verankerung von Gewaltschutz in Notunterkünften für geflüchtete Menschen entstanden.
Do., 17.10.24 | 9:00 - 12:30 Uhr
Vertreter:innen von Landesbehörden und kommunalen Behörden
Vertreter:innen aus der Wissenschaft
Zivilgesellschaftliche Organisationen
Betreiberorganisationen
Interessierte Praktiker:innen, wie Unterkunftsleitungen, Sozialarbeiter:innen und Gewaltschutzkoordinator:innen
Webex Meetings
Viele geflüchtete Menschen verbringen viele Monate oder gar Jahre in Geflüchtetenunterkünften. Um eine Unterbringung in menschenwürdigem Rahmen sicherstellen zu können, braucht es Lösungen für die vorgenannten Herausforderungen. Gleichzeitig sollte die dezentrale Unterbringung Ziel sein. Denn das Leben in einer eigenen Wohnung bedeutet gerade für geflüchtete Menschen anzukommen und befördert die Integration. Gewaltschutzstandards gilt es davon unabhängig im Interesse aller und in allen bestehenden und zukünftigen Unterbringungsformen umzusetzen.
Wie das gelingen kann und was Länder und vor allem Kommunen brauchen, um den skizzierten Herausforderungen für den Gewaltschutz in der Unterbringung von geflüchteten Menschen nachhaltig und bedarfsgerecht begegnen zu können, wurde im Rahmen des Werkstattgesprächs mit den geladenen Fachexpert:innen und Teilnehmenden diskutiert.
Auf die eröffnende Begrüßung der Veranstalter:innen folgte eine wissenschaftliche Perspektive auf die aktuelle Lage der Kommunen bei der Aufnahme geflüchteter Menschen. Der anschließende Kommentar ordnete die skizzierte Lage entlang der Mindeststandards zum Gewaltschutz in Unterkünften für Geflüchtete ein. Anschließend wurden Beispiele guter Praxis für den Wohnraum von geflüchteten Menschen im kommunalen Raum fernab von Sammelunterkünften vorgestellt. Wie Gewaltschutz in Notunterkünften für geflüchtete Menschen verankert werden kann, wurde mittels der Vorstellung der neu veröffentlichten Handreichung zur Gestaltung von Ausschreibungen und Betreiberverträgen der AG erörtert. Im folgenden offenen Austausch gab es die Möglichkeit für die Teilnehmenden mit den Expert:innen zu den Programmpunkten und Ihren Erfahrungen ins gemeinsame Gespräch zu gehen.
Das Online-Werkstattgespräch fand im Rahmen der vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) geförderten Bundesinitiative "Schutz von geflüchteten Menschen in Flüchtlingsunterkünften" statt.
Tagesmoderation: Servicestelle Gewaltschutz
Sandra Viehbeck, Referatsleiterin im Referat 103 „Migration und Vielfalt, Antisemitismus- und Rassismusprävention“ des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
Dr. Sebastian Sedlmayr, Abteilungsleitung der Stabstelle Advocacy und Politik, Deutsches Komitee für UNICEF
Norbert Seitz, Vorstandmitglied der Stiftung Deutsches Forum für Kriminalprävention (DFK)
Franziska Ziegler, Migration Policy Research Group, Universität Hildesheim
Matthias Kornmann, Stiftung Deutsches Forum für Kriminalprävention (DFK)
Bea Fünfrocken, Projekt „Wohnraum für Geflüchtete“, XENION – Psychosoziale Hilfen für politisch Verfolgte e.V.
Hanna Grieß, Projekt „Zukunft Wohnen“, Mehr Wohnraum für Geflüchtete in Bremen, AWO Soziale Dienste gemeinnützige GmbH
Desirée Weber, Senior Advocacy Specialist, Flucht und Migration, Stabstelle Advocacy und Politik, Deutsches Komitee für UNICEF
Andreas Groß, Referent für die Beratung temporärer Unterkünfte für Geflüchtete, Save the Children
Alle Teilnehmenden
Tagesmoderation: Servicestelle Gewaltschutz
Vollständiges Programm
Veranstaltungsinformationen und Programm
Fachzeitschrift "forum kriminalprävention"
In der Fachzeitschrift "forum kriminalprävention", Ausgabe 2/2024, wurde der Artikel "Gewaltschutz in Geflüchtetenunterkünften unter hohem Belegungsdruck - Herausforderungen in der (kommunalen) Praxis" veröffentlicht.
Zur Fachzeitschrift "forum kriminalprävention"
Praxismaterialien für die Notunterbringung
Zu den weiteren Praxismaterialien: Checkliste, Toolbox und Muster-Verhaltenskodex
Präsentation
Im Rahmen des Werkstattgesprächs wurden im Chat Fragen zu verschiedenen Themen gestellt sowie Hinweise zu Publikationen und Projekten benannt. Diese Hinweise sowie weiterführende Informationen zu einzenen Themen sind im Folgenden aufgeführt:
Der Mediendienst Integration und die Forschungsgruppe Migrationspolitik der Universität Hildesheim haben Kommunen in Deutschland dazu befragt, wie es um die Aufnahme Geflüchteter steht. Die Ergebnisse wurden zusammengetragen in der Expertise "Weiter am Limit? Zur Lage der Kommunen bei der Aufnahme Geflüchteter."
Expertise "Weiter am Limit? Zur Lage der Kommunen bei der Aufnahme Geflüchteter."
Die "Mindeststandards zum Schutz von geflüchteten Menschen in Flüchtlingsunterkünften" verstehen sich als Leitlinien für die Erstellung, Umsetzung und das Monitoring von unterkunftsspezifischen Schutzkonzepten. Sie können auch als Orientierung für die (Weiter-)Entwicklung von länderspezifischen oder kommunalen Schutzkonzepten dienen. Sie liegen seit 2021 in aktualsisierte vierter Auflage vor.
Die Publikation "Schritt für Schritt zum Schutzkonzept" (Stiftung SPI, 2022) stellt einen Leitfaden zur Erarbeitung, Umsetzung und Verstetigung von Schutzkonzepten in Unterkünften für geflüchtete Menschen. Wesentliche Referenzpunkte des Leitfadens sind die "Mindeststandards zum Schutz von geflüchteten Menschen in Flüchtlingsunterkünften" sowie die von UNICEF und anderen Partnerorganisationen in der Bundesinitiative – unter anderem "Save the Children Deutschland" und "Stiftung Deutsches Forum für Kriminalprävention" (DFK) – eigens entwickelte "Toolbox zur Entwicklung und Umsetzung von unterkunftsspezifischen Schutzkonzepten". Auch bereits veröffentlichte Praxisleifäden und andere Begleitpublikationen zu den Mindeststandards dienen als Referenzpunkte für diesen Leitfaden.
Leitfaden "Schritt für Schritt zum Schutzkonzept" (Stiftung SPI, 2022)
Zu den Begleitpublikationen der Mindeststandards
Beispiele guter Praxis für die Umsetzung der "Mindeststandards zum Schutz von geflüchteten Menschen in Flüchtlingsunterkünften" in Kommunen wurden in der gleichnamigen Publikation vorgestellt und Anfang dieses Jahres von der Stiftung SPI veröffentlicht.
Mit dem "Praxisleitfaden Mindeststandard 4: Prävention und Umgang mit Gewalt- und Gefährdungssituationen/Risikomanagement" veröffentliche UNICEF 2019 ein Tool, das Leitungs-, Fach- und Betreuungskräfte dabei unterstützen soll, eben diesen Mindeststandard umzusetzen und in ihren Arbeitsalltag zu integrieren.
Weitere Informationen zum Schutz von Frauen und Mädchen finden Sie hier.
Im Rahmen des Projektes DeBUG wurde ein Erklärvideo "Häusliche Gewalt in Unterkünften für geflüchtete Menschen" veröffentlicht. Das Video können Sie hier abrufen.
Im Jahr 2021 veröffentlichte der BDSW einen Leitfaden zum Schutz von Flüchtlingseinrichtungen oder -unterkünften für öffentliche Auftraggeber, der Hilfestellungen zur Angebotsbewertung von Qualität und Preis gemäß der nun geltenden Fassung der "Mindeststandards zum Schutz von geflüchteten Menschen in Flüchtlingsunterkünften" bietet.
Leitfaden des BDSW (BDSW, 2021)
Der Leitfaden des BDSW wurde in einem gemeinsamen Online-Werkstattgespräch mit der Stiftung Deutsches Forum für Kriminalprävention (DFK) im Jahr 2021 vorgestellt. Im Rahmen des Werkstattgesprächs war auch die behördliche Sicht mittels einem Kommentar des Ministeriums der Justiz und für Migration Baden-Württemberg vertreten. Die Präsentationen und weitere Informationen zum Werkstattgespräch finden Sie hier:
Im Rahmen des hiesigen Werkstattgesprächs wurden das Projekt "Wohnraum für Geflüchtete" von XENION – Psychosoziale Hilfen für politisch Verfolgte e.V. und das trägerübergreifende Projekt "Zukunft Wohnen - Mehr Wohnraum für Geflüchtete", angesiedelt bei der AWO Bremen, vorgestellt. Nähere Informationen finden Sie hier:
Zum Projekt "Wohnraum für Geflüchtete" auf der Webseite von XENION
Zur Projektwebseite "Zukunft Wohnen. Ein Zuhause für Geflüchtete in Bremen"
Die Berliner Fachstelle gegen Diskriminierung auf dem Wohnungsmarkt "Fair mieten – Fair wohnen" zielt darauf ab, die Vernetzung und Kooperation gegen Diskriminierung im Handlungsfeld Wohnen systematisch zu stärken und eine Kultur diskriminierungsfreier Vermietung in Berlin zu entwickeln. Weitere Informationen finden Sie auf der Webseite der Fachstelle.
Zur Berliner Fachstelle "Fair mieten - Fair wohnen"
Der Verband Johanniter Mittelfranken bietet für Menschen mit Flucht- und Migrationshintergrund, die auf Wohnungssuche sind oder bereits in eine eigenen Wohnung ziehen können, Schulung rund um das Thema Wohnen an. Weitere Informationen zum sogenannten Wohnführerschein "Wohnen kompakt" finden Sie auf der Webseite der Johanniter Mittelfranken.
Zum Wohnführerschein "Wohnen kompakt"
Die Online-Plattform "Projektlandkarte Wohnen" ist eine erste bundesweite Übersicht über Projekte und Beratungsstellen in den Bereichen Wohnen und Migration.
Save the Children Deutschland bietet Beratung für Betreiber:innen und Personal temporärer Unterkünfte für geflüchtete Menschen an, um eine Verbesserung der Unterbringungssituation geflüchteter Kinder und ihrer Familien in diesen Unterkünften zu erzielen. Weitere Informationen und die Kontaktdaten stehen Ihnen auf der Webseite von Save the Children zur Verfügung.
Zum Projekt "Beratung temporärer Unterkünfte für geflüchtete Menschen"
Save the Children veröffentlichte 2023 zudem eine Checkliste für die temporäre Unterbringung von Kindern und Familien.
Kinderschutz in Notunterkünften für Geflüchtete (Save the Children, 2023)
In einer Studie vom Deutschen Komitee für UNICEF e.V. und dem Deutschen Institut für Menschenrechte wurden Perspektiven von Kindern und Jugendlichen in Unterkünften für geflüchtete Menschen zusammengetragen. Kinder und Jugendliche aus vier Unterkünften für geflüchtete Menschen berichten in der Studie über ihre Lebensrealität.
"Das ist nicht das Leben" (UNICEF, DIMR, 2023)
Um Länder und Kommunen bei der Umsetzung des Mindeststandards 3 der "Mindeststandards zum Schutz geflüchteter Menschen in Flüchtlingsunterkünften" zu unterstützen, wurde das Modellprojekt "LISTEN UP! Beschwerdeverfahren für geflüchtete Kinder in Unterkünften" entwickelt. Ziel ist es, den Zugang zu internen und externen Beschwerdewegen für Kinder, die in Unterkünften für geflüchtete Menschen leben, zu verbessern und somit Kinderrechte, Kinderschutz und damit auch die strukturelle Qualitätsentwicklung der Unterbringung zu stärken.
Die Frauenhauskoordinierung entwicklte im Rahmen ihres Modellprojektes "GEWALTSCHUTZ FÜR FRAUEN UND BESCHWERDEMANAGEMENT IN UNTERKÜNFTEN FÜR GEFLÜCHTETE", dass 2019 endete, eine Vielzahl von Praxismaterialien zum Thema, die auf der Webseite der Frauenhauskoordinierung abrufbar sind.
Zu den Praxismaterialien Beschwerdemanagement
Im Rahmen des Projektes DeBUG wurden Erklärvideos zu Beschwerdemöglichkeiten in Unterkünften für Geflüchtete erstellt. Diese sind hier abrufbar.
Bei Fragen rund um das Thema Gewaltschutz kontaktieren Sie gerne die Multiplikator:innen für Gewaltschutz des Projektes "Dezentrale Beratungs- und Unterstützungstsruktur für Gewaltschutz in Flüchtlingsunterkünften". Nähere Informationen zum Projekt und die Kontaktdaten der Multiplikator:innen finden Sie hier.
Eine gemeinsame Veranstaltung von: Im Rahmen der: Gefördert vom: